Reisebericht: Radreise Andalusien

Komplette Fotos im Album der Radreise

Wir, meine Frau und ich, suchten für Anfang 2005 eine Andalusienreise per Fahrrad mit Gepäcktransport und vorgebuchten Hotels, um ganz gemütlich Frühlingssonne zu tanken und dabei die Landschaft sowie die bekannten Städte und Stätten von Al Andaluz auf uns wirken zu lassen. Ein Gepäcktransport wird von uns durchaus geschätzt. Ich war 63 und war nie ein Hochleistungssportler. Noch nicht einmal ein Rennrad nannte ich bisher mein eigen. Allerdings ein Reiserad. Bei der Firma Velotours fanden wir das, was wir in etwa suchten. Entsprechend zahlten wir an und warteten auf die Bestätigung. Nachdem man uns auf telefonische Anfrage sagte, dass die feste Bestätigung erst rausginge, wenn der eigentliche Veranstalter mindestens 6 Buchungen vorliegen habe, fanden wir das im Hinblick auf die von uns zu buchenden Flüge auch nicht ganz das Gelbe vom Ei. Na ja, es kam, wie es kommen musste, wir erfuhren dann relativ kurz vor dem geplanten Termin von dem geplatzten Termin, dass sich nur drei Teilnehmen gemeldet hatten und die Reise nicht stattfinden würde. Zwei der Drei waren wir ja selber. Für meine Frau kommt eine individuelle Tour mit Gepäck auf dem eigenen Rad im zweitgebirgigsten Land Europas nicht in Frage. Wir vereinbarten also, dass ich die Tour mit Abänderung der Strecke, weil ich unbedingt auch Granada sehen wollte, alleine machen würde und sie sich irgendwann einen entsprechenden Tennisausgleich sucht.

Nachdem ich schon am 07.03.05, dem eigentlichen Termin der ursprünglich vorgesehenen Reise, nach Sevilla fliegen wollte, veranlassten mich die Wetterbedingungen in Spanien dazu, den Flug abzusagen. Ich hatte einfach keine Lust, das zu erleben, was Wölfi und Jan aus dem Rad-Forum in Marokko erlebten und mir den Hintern abzufrieren. Aus meiner ersten Reise vor ein paar Jahren von Faro/Portugal nach Andalusien wusste ich, wie warm es im März sein kann. Das wollte ich wieder! Nach dem Winter den Buckel in der Sonne schmoren lassen. Nicht frieren! Die 35,-- € für die Stornogebühren zahle ich gerne. Aber schon ein paar Tage nach dem 7.3. erlebe ich, dass es doch richtig gewesen wäre zu fliegen. Also rufe ich im Netz die LTU auf. Sehe die Möglichkeit, am 11.03. zu fliegen und entscheide mich kurzerhand. Ich packe also, checke am Donnerstagabend ein und fliege am Freitag nachmittags nach Sevilla.

Bis ich dann mit dem Rad aus dem Flughafengebäude komme, ist es schon reichlich spät. Lt. Karte sollte eine kleine Straße vom Flughafen über die Autobahn gehen, die suche ich. Aber ich sehe eigentlich nur so ne Art Autobahnauffahrt. Also frage ich ein paar Spanier. Die geben mir zu verstehen, dass ich mit dem Rad die Autobahnauffahrt, Autovia, nehmen soll. Sicherheitshalber frage ich noch eine Reiseleiterin am Busparkplatz gegenüber. Auch sie meint, dass ich dort fahren soll mit dem Bicicleta. Also bekreuzige ich mich und los! Prompt trete ich leer durch. Kette ab! Kette erst mal auf das kleine Blatt werfen und dann geht es doch los. Ich suche eine Übernachtungsmöglichkeit. Soll ich nach Sevilla reinfahren? Ich versuchs erst mal in Richtung Carmona, um dann links über die SE 116 Richtung Brenes zu kommen. Sevilla kenn ich ja von meiner ersten Spanienreise. Somit radele ich vergnügt auf dem breiten Seitenrand der Autovia Richtung Carmona. Bald schon erspähe ich eine Tankstelle, an der ich meine Flüssigvorräte auffüllen kann. Bald danach kommt eine Abfahrt zu einer Strasse neben der Autovia. Und dann ein Gelände mit großem rundem Eingangstor. Ich sehe was mit „CAMPO“, muss wohl ein Campingplatz sein und ich halte drauf zu, fahre durch den Torbogen und begreife langsam, dass der Mann am Tor unter Campo was anderes versteht als ich. Nein er ist nicht damit einverstanden, dass ich mein Tienda, also Zelt, dort aufstelle. Er schickt mich zurück. Ich habe aber keine Lust, mir den Weg bis Dos Hermanos, den dortigen offiziellen Campingplatz, zu suchen. Bis dahin ist es stockdunkel. Also versuch` ich es doch in der Stadt. Auf der anderen Seite der Autobahn ist eine ebenfalls viel befahrene Straße, die ich nun Richtung Stadt nehme. Ich finde ein Hostal, aber es ist geschlossen. Also weiter Richtung Centro ciudad. Ich finde nichts mehr, außer „richtigen“ Hotels. Na ja, dann schau ich mir doch morgen früh erst mal wieder die Stadt an und akzeptiere den sündhaft teuren Hotelpreis. Dafür hab ich dann nichts dagegen, mir einen Teil meines Gepäcks ins Zimmer tragen zu lassen.

Am Morgen, Samstag den 12.03. genieße ich dann die Fahrt ohne Gepäck durch die Altstadt. Ich besuche den alten Columbus in der Kathedrale und mache ein paar Fotos. Nachts hat´s geregnet und ich habe den Eindruck einer frisch gewaschenen Altstadt. Mittags hole ich dann meine sieben Sachen und mach mich auf den Weg aus der Stadt. Glück muss man haben. Ich finde exakt den Weg auf die SE 111 und die C 431. Ich möchte gerne entlang des Guadalquivir nach Palma del Rio radeln. Nur vom Guadalquivir sehe ich nichts. Dafür um so mehr Orangenbäume, deren Blätter offensichtlich erfroren waren. Hoffentlich erholen sie sich wieder. Zwischendurch immer mal wieder der Geruch von Tod. Und ein aufgedunsener Körper eines toten Hundes am Straßenrand oder plattgefahren am Rand der Straße. Unverständlich ist mir, dass die Spanier offensichtlich damit gut zurecht kommen, einschließlich des unglaublichen Mülls am Straßenrand. An manchen Stellen glaubt man, dass die Spanier sich ihres Mülls regelmäßig am Straßenrand entledigen. Manchmal samt Möbelresten. Wohnt da vielleicht einer? Zwischendurch überquere ich ein paar Bewässerungskanäle, die entweder vom Guadalquivir abgeleitet sind. Romantisch ist das nicht. Wenn man den Fluss in Sevilla kennt, erwartet man viel, viel mehr. Irgendwann, nach weiteren toten Hunden und etlichen Katzen, aber auch einigen überfahrenen Ratten, kommt ein Schild mit der Information, dass es rechts nach Palma del Rio abgeht. Dort will ich hin. Ich folge dem Schild mit dem „I“ für Information. Und dort erhalte ich die Auswahl unter Hotel, 85,00 € bis Hostales zu 17,00 €. Ich entschließe mich für das Hostal. Das Rad kommt um die Ecke in einen Schuppen. An einer noch offenen Tankstelle hole ich mir ein paar Plätzchen und einen Rioja zur Feier des Tages und geh ein bisschen um die Kirche spazieren. Auf dem Turm sind gleich drei große Storchennester. Das Geklappere der Störche hört man in der ganzen Stadt. Diese drehen noch ein paar Runden über die Stadt und ich frag mich, wo wohl für die Störche genug Beutetierchen zu finden sind. Am nächsten Morgen geht’s dann weiter Richtung Cordoba. Schon um etwa 11:00 treffe ich dort ein und orientiere mich am Bahnhof. Ein Hotel direkt neben der alten Universität bietet sich an. 80,00 € pro Nacht. Das Rad kommt in den Serverraum neben dem Empfang. Ich geh` mir die Stadt ansehen. Gleich in Richtung Judenviertel und Mesquita. Das Judenviertel ist recht eng, aber m.E. nicht so ganz besonders sehenswert. Die ehemalige größte Moschee auf europäischem Boden aber ist wirklich sehr beeindruckend! Sowohl von außen aber noch mehr von innen. Im Innenhof neben der eigentlichen Moschee, dem Platz, wo sich die Besucher vor dem Moscheebesuch wuschen, fasziniert mich ein offensichtlich uralter Ölbaum mit ein paar grünen Ästchen. Sieht wirklich aus, als hätte er die ganze Geschichte der Mauren und der Christen voll mitbekommen. Ein Baum mit Charakter. Dann hole ich mir eine Eintrittskarte und gehe in die Moschee. Man hat auf Grund der Wand- und Deckenbemalung noch den Eindruck der Moschee, aber fast 50 christliche Seitenaltäre, Heiligenbilder, Kreuze, und in der Mitte die sofort nach der Eroberung hineingestellte christliche Kathedrale verwischen den Eindruck. Aber ein Gefühl, welches ich in rein christlichen Gebäuden habe, will sich dennoch nicht einstellen angesichts des ehemaligen Säulenwaldes, von denen man angeblich fast 365 für die Kathedrale entfernt hat. Dennoch, der Besuch hinterlässt einen tiefen Eindruck. Ich gehe am Morgen danach noch mal hin. Nachmittags am zweiten Tag schau ich mir die Straßen und die Plätze an. Cordoba macht einen äußerst großzügigen Eindruck. Im Corte del Ingles gibt es einen Bücherladen, dort will ich mir ein deutsch-spanisches Wörterbuch holen. Ich finde Sprachliteratur für alles, sogar Japanisch. Für deutsch finde ich nichts. Seltsam in einem Land, von dem ich annehme, dass die meisten Touristen Deutsche sind und wo doch viele Spanier geschäftliche Beziehungen zu Deutschland haben oder als Gastarbeiter dort waren.

Am nächsten Tag mache ich mich auf in Richtung Granada. Ich will auf der N 432 über Alcaudette radeln. Aber ich habe keine Ahnung, welche Strecke ich realistisch planen kann. Immerhin bewege ich mich - mit all den wieder mal viel zu viel mitgenommenen „wichtigen“ Utensilien und meinem eigenen Gewicht von 90 kg netto (netto heißt ohne was an) sowie einem Fahrrad lt. Flughafenwaage von 22,2 kg - mit ca. 150 kg über die Straße. Was Berg runter von Vorteil ist, aber ich radle bergan. Am Nachmittag bin ich in Alcaudette und hab keine Lust auf weitere Quälerei. Ein Hostal am Wegesrand will für die Übernachtung 20,-- €. Ich will ein Bier. Passt ja gut zusammen! Ich trinke zwei Bier. Esse abends dort und wundere mich wieder mal, dass ein Essen in Spanien nicht billig ist und die Portionen nicht groß sind. Nur gegen die Getränkepreise kann man eigentlich nichts sagen, wenn man deutsches preiswertes Essen und extrem teure Getränke dazu vergleicht. Wenn ich in Deutschland mit der Familie Essen gehe, tut mir nicht das weh, was die Kinder essen sondern die jeweils zwei oder drei Colas, die dazu getrunken werden.

Am Abend mache ich einen kleinen Spaziergang durch den Ort. An einer Straße mit Müllcontainern bemerke ich einen Schwarzen, der im Müll sucht. Ich überlege, dass ich mir kein Fläschchen weniger leisten werde, wenn ich dem Mann zu einem Abendessen verhelfe und nehme einen 10,00-Euroschein in die Hand, gehe zu ihm und versuche, seine Hand zu nehmen. Er sieht mich erschrocken an und weiß nicht, was ich will. Er zieht die Hand zurück als müsse er sie schützen. Ich greife beherzt zu und drücke ihm den Schein in die Hand. Da sieht er erst mal hin, begreift, und seine großen Augen werden ungläubig und noch größer. Da hab ich mich schon verdrückt. Danach male ich mir aus, ob er das Geld seiner Frau zeigt, ob er in die Kneipe geht, sehe ein paar dunkle Kinder, die zu essen bekommen. Offenbar geht die Phantasie mit mir durch. Ich geh aufs Zimmer und schlafe ruhig.

Ich geh´ davon aus, dass ich bis Granada die gleiche Zeit benötige, wie bis Alcaudette. Granada soll ja auf 800 m Höhe liegen. Also wird es wohl zuvor noch mal kräftig nach oben gehen. Tatsächlich geht es schon bald noch mal hoch. Und dann geht’s abwärts. In rauschender Fahrt erreiche ich schon bald Pinos Puente, den Vorort von Granada. Aber auch danach geht’s nur geradeaus, kein Berg. Ich hätte die Strecke problemlos gestern noch schaffen können, wenn ich den weiteren Streckenverlauf richtig eingeschätzt hätte.

Durch Granada ist es kein Problem. Auf der großen Straße beherzt sein Recht wahrzunehmen, das habe ich inzwischen gelernt! Und ich habe gelernt, dass Spanier zwar feurig sein mögen aber vorsichtige und äußerst rücksichtsvolle Autofahrer sind. Ich wurde während des gesamten Urlaubs nicht angehupt in dem Sinne, dass jemand damit sein „Recht“ als Stärkerer fordert. Neben der Via Grande bekomme ich in einem Hostal für 25,-- € pro Nacht ein Zimmer und mein Rad eine Unterstellmöglichkeit im Empfangsraum. Bei den folgenden Fahrten mit „leerem“ Rad lerne ich schnell, mich wie die Mopedfahrer im Verkehrsgetümmel zu bewegen. In Deutschland wäre das nicht möglich. Da wäre ich schon tot oder zumindest auf der Intensivstation. Der Spanier als Autofahrer rechnet einfach damit, dass Du die Lücke nutzt, die sich auftut. Und er lässt sie Dir. Du kommst zwar ins Schwitzen, weil die Fahrt eigentlich nur aus Vollgas und abruptem Bremsen bis zum Stillstand und sofortigem weiterem Vollgas, Kurvenschlagen, Stopp, um den Bus rum, ein Stück auf der Gegenfahrbahn und schnelles Einscheren auf die eigene Fahrbahn mit möglichst 30 km/h vor dem Bus her, bis dieser die nächste Haltestelle ansteuert, besteht. Ein Fahrstil, der in Deutschland als Verkehrsrowdytum gelten würde. Aber die Radler, die ich sah, fuhren alle so. Dafür sah ich keinen auf dem Bürgersteig fahren. Solange alles gut geht, greift die Policia offenbar auch nicht ein. Sie akzeptiert, dass „rot“ nicht einmal für alle Autos verbindlich zu sein scheint, für Mopeds und Räder fast nie. Trotzdem funktioniert der Verkehr mindestens so gut wie bei uns.

Nach dem Besuch der Kathedrale und der Bewunderung vieler Bauwerke von außen war am nächsten Tag der Besuch der Alhambra angesagt. Am Abend zuvor hatte ich den steilen Weg probeweise schon mal per pedes in Augenschein genommen. Der Nasridenpalast ist relativ gut erhalten und ein Höhepunkt der Andalusienreise. Schade ist eigentlich nur, dass man keines der Zeichen, der Gedichte und der Sprüche lesen kann, die man auf Wänden, Decken und sogar Fußböden sieht. Lebensstil hatten die Herrscher der Alhambra!

Aufgrund der vielen Themen zum Wintersport in der Sierra Nevada wollte ich mir einen kleinen Eindruck verschaffen und beschloss, soweit den Berg raufzufahren, dass ich einen Schneeball machen konnte. Der angefangene Nachmittag schien mir geeignet, um schon mal einen Test zum Finden der richtigen Straßen und Ausfahrten Richtung Pico de Veleta zu starten. Es ging in Richtung Stausee. Also links von der eigentlichen Straße auf den Pico de Veleta. Die Straße nach Pinos Genil. Dort geht eine Abzweigung nach rechts den Berg rauf, die auf der A-395 bei Hm 1000 auskommt. Da ich dafür ohne Gepäck war, konnte ich die Steigung schaffen. Mit Gepäck hätte mich Kraft und Mut verlassen. Ich nahm mir also vor, morgen früh, wenn ich den Aufstieg mit Gepäck versuchen wollte, von vornherein über die A-395 zu fahren.

Am nächsten Morgen versuchte ich es dann mit Gepäck. Aber auf der A-395. Nachdem ich meine drei Liter Wasser aufgebraucht hatte, steuerte ich eine „Bar“ am Straßenrand an und setzte mich dort auf der Terrasse windgeschützt in die Sonne. Zeit für ein Cerveza, una caña, ein Bier, um den Kohlehydrathaushalt in Ordnung zu bringen. Der Wirt und die Wirtin hatten in Frankfurt gearbeitet und boten mir eine Linsensuppe (echt spanisch) an. Sie war mit verschiedenen Würstchen (Chorizo und eine Art Blutwurst) versehen. Diese Art der Wurst darin schmeckte ungewöhnlich aber nicht schlecht.

Dann ging´s erstmal zurück in die proppevolle Stadt. Freitag Nachmittag, 14:00 Uhr war der Teufel los. Dennoch, als Radfahrer kann man viele kleine Lücken ausnutzen und die spanischen Autofahrer zeigen jedes Verständnis! Ich liebe Euch! Nachdem ich mich so durch Granada hangelte, fuhr ich zufrieden weiter Richtung Antequera. Das heißt, erst in Richtung Cordoba, bis Pinos Puente, dann links auf die Landstraße, sozusagen immer an der Bahn entlang. Ich finde es faszinierend, dass eine neue, noch einspurige Bahn gebaut wurde und der alte Bahnkörper offenbar nicht abgeräumt wird. Außer den alten Schwellen. Könnte es sein, dass dies eine Via-Verde wird? Wäre eine tolle Idee und man könnte von Antequera bis Granada und umgekehrt prima darauf radeln. Verbindung Alhambra und El Torcal. Ich bin gespannt darauf, wie es um die Dolmen bei Antequera steht. Ich wusste nicht, dass es so was überhaupt außerhalb der norddeutschen Tiefebene und England gibt. Na ja, die alten Völkerstämme waren ja berühmt für ihre Wanderungen. Daher auch Völkerwanderungen ? Unterwegs muss ich übernachten, da ich ja erst etwa um 15:00 Uhr aus Granada raus auf die eigentliche Strecke ging. Ein Hügel an der Bahn mit alten Olivenbäumen lädt mich ein und ich baue dort mein Zelt auf. Am nächsten Morgen arbeiten einige Handwerker an der dort befindlichen Trafo-Station und finden es offenbar ganz normal, dass ich im Zelt ratze.

Auf dem weiteren Weg kurz vor der Stadt Antequera fahre ich auf der Landstraße an Felswänden vorbei, an welchen junge Leute Klettern üben. Wahrscheinlich weil Samstag ist. Dann an der Tankstelle frage ich nach den Dolmen. Nur ein paar hundert Meter weiter und ich stehe vor dem Dolmen Romero. Der Eingang wird von einem Bienen- oder Hummelschwarm bewacht. Jedenfalls sehen sie so ähnlich aus, aber von dunkler Farbe und größer als Bienen aber kleiner als Hummeln. Ich gehe trotzdem hindurch und es passiert gar nichts. Der Eingang durch den steinernen Tunnel ist so hoch, dass man ohne sich zu bücken rein kommt. Vorsichtshalber lasse ich den Radhelm auf und senke dafür den Kopf ein bisserl.

In der Stadt sind die meisten Hostales schon komplett besetzt. Das einfachste davon ist aber noch ziemlich frei. Für 12,-- € erhalte ich ein Zimmer mit einfachem Badezimmer auf dem Flur. Ist doch OK! Es ist Samstag, viele Leute gehen in die Kirche auf der Straße, die zu dem Platz führt, an dem ich vor der Bar ein Cerveza trinke. Ich schau auch mal rein. Drinnen sind die Heiligenfiguren bzw. Jesus, Engel und auch die Jungfrau Maria auf drei Stellagen aufgebaut. Sie werden morgen, Palmsonntag, durch die Straßen getragen werden. Ich mache mich wegen der voraussichtlichen Uhrzeit kundig, weil ich zum El Torcal will.

Am nächsten Vormittag auf dem Weg zu El Torcal. Es ist Zeit für einen Morgenkaffee. Steil steigt die Straße zu der Route nach El Torcal innerhalb der Stadt an. Oben geht’s dann ein paar hundert Meter leicht abwärts bis zu einer schönen Ausflugsgaststätte. Ich trinke an der Bar einen Café con leche. Will zahlen und merke, dass ich im Zimmer mein Geld vergessen habe. Das Mädchen hinter dem Tresen nimmts leicht und im Hinausgehen fällt mir ein, dass ich doch meinen Brustbeutel umhängen hab, mit den übrigen Werten. Ich nehme einen Schein heraus, 50-Euro, kehre um und strahle wie ein Honigkuchenpferd als ich gottseidank Zahlung anbieten kann. Das Mädchen winkt ab, sagt etwas auf spanisch, was ich natürlich nicht verstehe. Ein Pärchen an der Theke verdeutlicht mir in englisch, dass sie es schon storniert habe. Ich danke und nehme mir vor, auf der Rückfahrt einzukehren und ordentlich zu essen, damit ich ihr ein Trinkgeld in Höhe des Werts des Kaffees geben kann. Als ich mittags zurückkomme, ist der große Hof voll mit Autos und Bussen. Das hat nun wirklich keinen Zweck.

Auf der Fahrt zum El Torcal schau ich immer zur Bergseite, sehe interessante Felsen, aber nichts, was es nicht auch an anderer Stelle gibt. Es geht immer berauf. An einem Campingplatz vorbei, an dem ich fragen will, aber niemand ist in der Anmeldung. Ich fahre weiter bergauf. Verbrauche wieder mein Wasser, beschließe schließlich, nur noch um die Kehre bis zum Scheitelpunkt des Berges zu fahren. Dann werde ich umkehren. Wenn das El Torcal ist, dann enttäuscht es aber. Als ich kurz vor dem Scheitelpunkt um die letzte Kurve komme, sehe ich das Schild „El Torcal“ und die Straße, die von dieser abgeht und den Berg hinan. Ein kleiner Parkplatz, auf dem einige Fahrzeuge parken. Ich grüße ein sympatisches Paar mit „Hallo“ und erhalte ebenfalls ein „Hallo“ aus dem inzwischen offenen Wagen mit spanischen Kennzeichen zurück. Es sind Holländer, mit denen ich mich das Rad schiebend unterhalte. Sie erzählen, dass sie gestern schon einmal hier gewesen seien und heute eine 4- bis 5–Stunden-Wanderung dort oben machen wollen. Man sieht bereits, dass die kaarstigen Felsen faszinierende Monumente bilden, in Schichten, die offenbar von spielenden Riesen zusammengesetzt wurden. Wirklich faszinierend. Wenn nur weniger Leute wären, auf dem kurzen Stück, wo ich mein Fahrrad schiebe. Es gibt hier keine Möglichkeit, sein Fahrrad anzuschließen. Nächstes mal werde ich es unten auf dem Parkplatz irgendwo anschließen. Na ja, wann ist nächstes Mal? Ich schiebe das Rad also noch ein wenig zwischen den Monumenten herum und fahre dann runter auf die Straße und in viel zu schneller Fahrt zurück bis kurz vor Antequera. Dann geht es wieder aufwärts in die Stadt hinein. Essen bei der Ausfluggaststätte ist nicht anzuraten, die haben mehr als genug zu tun.

An dem Platz vor der Kirche stehen bereits die Träger parat für die Prozession. Zum Teil in der Bar, wo sie sich stärken, zum Teil davor. Als das Spektakel anfängt, gehen erst die römischen Soldaten mit Trommeln voraus, dann folgen mit entsprechendem Abstand die Figurenträger. Wenn eine Lade auf fast fünfzig Schultern hochgehievt ist, wird sie erst einmal rhythmisch geschaukelt, dann auf vielen Stöcken mit Haken abgesetzt und die Schultern damit entlastet. Bis alle drei aus der Kirche sind, dauert es. Sie ziehen offenbar viele Stunden durch die Straßen. Ich gehe Abendessen und ziehe mich danach in mein 12,00-Euro-Luxuszimmer zurück.

Am morgen danach auf dem Weg nach Ronda will ich meine Wasservorräte bei Lidl oder Real, die nebeneinander liegen, auffrischen. Öffnungszeiten von 10:00 bis 10:00. Direkt gegenüber frage ich eine Frau, nach den weiteren bisher nicht gefundenen „Dolmenes“. Sie bedeutet mir mitzukommen und schließt das Gartentor an dem Hügel auf. Ich stehe vor dem Dolmenhügel, den ich nicht finden konnte. Zwei Dolmen sind hier. Der erste etwas unscheinbar, nur der Eingang macht was her. Der zweite, mit Ein-/Ausgang nach Norden und drei senkrechten Quadern in dem eigentlichen Raum beeindruckt mich schon erheblich mehr. Als ich rausgehe, kommen Busladungen mit Besuchern. Wie schön, dass ich eine Viertelstunde früher da war.

Meine Wasservorräte frische ich an einer Tankstelle auf. Ich brauch mich wegen der Richtung nur an die alte Bahntrasse Bobadilla – Granada zu halten. Bald schon bin ich in Bobadilla, ein paar Häuser nur, dort endet der alte Bahnkörper. Ein wenig weiter kommt Bobadilla Estación. Die Anzahl der Gleise hier würde einem Großstadtbahnhof Ehre machen. Und hier geht auch ein moderner Bahnkörper weiter. Ich muss ein Stück auf der A-382 bis zum Abzweig auf die A-357. Dort ohne viel Verkehr durch den Embalsa Gualteba-Gualdahorce. Ich habe ein Riesengewässer erwartet und bin enttäuscht wegen des bisschens brauner Brühe. War wohl doch nicht genug Schnee. Direkt dahinter geht’s rechts ab, um auf die Zufahrt nach Ronda zu kommen. Erst rauf, dann wieder runter, dann die Einmündung auf die C-341. Auf der dann immer weiter nach oben, bei erbärmlichem Gegenwind. Gegen diesem Wind wäre es schon schwer ohne Berg. So schleiche ich mit 5 – 7 km/h voran und zähle nicht nur die KM-Anzeige sondern auch die Meter dazwischen. So vergeht der Nachmittag und ich sehe noch immer keine Tankstelle, an der ich meine Wasservorräte auffrischen könnte. Bald werde ich sterben, weil die Flaschen inzwischen leer geworden sind. Dann endlich Häuser an der Straße. Ich werde ins Dorf fahren. Die werden ja einen Minimercado haben. Zuvor erreiche ich eine totgefahrene Schlange, bestimmt 70 cm lang, ganz kleiner Kopf, aber ich kann keine „Giftzähnchen“ entdecken, obwohl ich sie hochnehme und genau untersuche. Schade um das Tierchen, nun quillt alles aus dem Bauch. Es ist noch keine Leichenstarre eingetreten. Ich sollte auf Leichenbeschauer umsatteln. Damit der Körper nicht weiter von Reifen zermalmt wird, werfe ich ihn ein paar Meter neben die Straße. Vielleicht holt sich ein Geier den Kadaver. José in Düsseldorf sagte doch, dass es hier Gänsegeier gibt. Ich habe aber nicht gefragt, ob totgefahrene Schlangen zu deren Menüauswahl gehören.

Da taucht ein Ankündigungsschild zu einer Tankstelle in 500 m auf. Tatsächlich, als ich um die Biegung komme, sehe ich schon die Tankstelle. Ich brauch nun doch nicht zu sterben. Ich fülle dort alles auf und bin sicher, dass ich Ronda doch lebend erreiche. Aber erst einmal geht es wieder kräftig den Berg hoch. Als ich oben durch eine in den Berg geschlagene Vertiefung komme, erwartet mich ein kleines Schild: „Puerto El Saltillo 885 m“. Aha, um 500 Höhenmeter zu schaffen, muss man sich also derartig anstrengen. Zumindest der Gegenwind wäre aber nicht unbedingt nötig gewesen. Von nun an ging´s meist abwärts. Kurz vor Ronda dann ein „Camping“-Schild. Ich habe die Nase sowieso voll und nehme das Angebot an. Treffe dort auf einen Holländer, der seit fünf Jahren da arbeitet. Er vertritt gleichzeitig, wie er sagt, eine holländische Firma, die in diesem Jahre eine Radvermietung in Ronda eröffnen will. Er lebt auf dem Platz in einem kleinen Wohnmobil und hat auch einen PKW mit niederländischer Firmenbeschriftung. Der Platz, den er mir anbietet, ist mit einer Glasfaserplane bedeckt. Einen Besen hat er auch. Ich säubere den Bereich auf der Plane, baue mein Einmannzelt auf und schau mich danach um. Es sind nur wenige Gäste da. Eigentlich bereitet man sich erst auf Gäste vor. In der Gaststätte bestelle ich als Abendessen eine Schinkenplatte mit wenig Schinken, zwei Würstchen und Brot. Für 8,00 € entschieden zu teuer. Der Wein ist preislich in Ordnung. Als ich ohne vorherige Frage ein Eis mit auf den Weg nehme, kostet mich das noch mal 2,5 €. Also 5,00 DM, wenn man mit alten Werten rechnet. Und das für ein Eis auf die Hand!

Auf meiner Thermo-Rest-Matte liege ich wieder sehr gut. Gottseidank hatte ich für das Zelt die Schraub-Heringe (Würmer) mitgenommen. Der Boden ist fast wie Beton, aber die Spezialheringe lassen sich reinschrauben. Das Zelt steht prima. Normale Heringe hätte ich bei dem harten Boden krummgeschlagen. Um 1:00 Uhr fängt es an zu regnen und hält auch bis morgens durch. Um 8:00 beschließe ich trotzdem aufzustehen und nach Ronda reinzufahren. Es hat nachgelassen. Das Wasser der Dusche ist heiß. Sehr angenehm. Als ich losfahre, tröpfelt es nur noch. Die wenigen Tropfen auf der Fahrt nach Ronda sind nicht der Rede Wert. Als ich dann in Ronda bin, reißt der Himmel auf und die Sonne kommt raus. Die Umgebung dampft. Ich rechne mit spektakulären Bildern von oben auf die Schlucht. Allerdings ist zuviel Wasserdampf in der Luft, wie Nebel.

Die Stadt erinnert mich wegen der Touristen eher an Rothenburg ob der Tauber. Schön, aber offenbar ausschließlich auf Touristen eingestellt. Dabei allerdings an den Rändern unschön ausufernd, was Rothenburg m. E. ja nicht tut.

Ich denke, dass ich gegen die Mittagszeit alles gesehen hab. Ich will am Nachmittag nach Malaga runter und zusehen, dass ich einen Flug bekomme. So packe ich ein, schwing mich aufs Rad und fahre mit teilweise bis zu 72 „Sachen“ den Weg zurück bergab, den ich gestern mit Gegenwind gekommen bin. Auf der A-957 muss ich noch mal eine Höhe von ca. 100 hm überwinden und wieder geht’s ordentlich runter. Diesmal bis Malaga. Dort wollte ich die Autovia, zu der die 957 sich in Cartama mausert, vermeiden und versuche es daneben. Auf Nachfrage bedeutet man mir aber, dass es zum Flieger über die Autovia geht. „Ja, mit dem bicicleta“ ! Todesmutig fahre ich los. Ich mache den Fehler, von der falschen Seite zum Flughafen zu kommen und muss ihn sozusagen umrunden. Über eine weitere Straße, die mehr Autobahn als Straße ist. Von da zur Flughafenautobahn, dreispurig auf beiden Seiten, kein durchgehender Seitenstreifen. Zum Schluss Richtung Schild: „SALIDA“ auf der Mittelspur. Danke Ihr Spanier, dass Ihr mich mein Ziel habt lebend erreichen lassen! Keiner hupte. Nach dem Ticketkauf muss ich auf dem gleichen Weg zurück um mir eine Bleibe für die Nacht zu suchen. Und am nächsten Tag wieder auf dem gleichen Weg erneut hin. Wenn ich mir jemals für die Reise ein Auto gewünscht hätte, dann hier für dieses eigentlich relativ kurze Stück!

Wolfgang Koller